Das Frühmittelalter
Ende 5. Jahrhundert bis Anfang 10. Jahrhundert
Frühmittelalterliche Geſchichte und Politik
Seit dem 3. Jh. weiteten die Franken ihre Gebiete immer weiter nach Westen aus.
Aber erst Ende des 5. Jh. entstand unter dem salischen König Chlodwig I.
in Westeuropa ein einheitliches Frankenreich, das Merowingerreich.
Dazu beseitigte Chlodwig gewaltsam die anderen Gaukönigtümer und schuf
eine politische Einheit der Franken. Dieses Merowingerreich war dem Römischen
Reich sehr ähnlich, da Chlodwig die römische Verwaltung, das Steuersystem und
die Münzordnung übernahm. In der folgenden Zeit, bis etwa zur Mitte des
6. Jahrhunderts, weitete Chlodwig seinen Machtbereich weiter aus,
indem er andere Germanenstämme unterwarf und Reste römischer Herrschaft beseitigte.
So fielen beispielsweise die römischen Teile Galliens und Burgund unter fränkische Herrschaft.
Ebenso wurden die Westgoten und die Alemannen besiegt. Nach Chlodwigs Tod wurden Thüringen,
noch unabhängige Teile Alemanniens und endgültig Burgund erobert. Auch Bayern wurde abhängig.
Die Macht im Reich hatte jetzt der jüngere Sohn Chlodwigs. Chlothar I.
Nach dessen Tod wurde das Reich in drei Teile gespalten: Austrien,
Neustrien und Burgund. 613 konnte der neustrische Merowinger Chlothar II.
mit Hilfe des Adels das Reich erneut vereinigen. 623 erhielt Dagobert I.,
Chlothars Sohn, große Teile Austriens als Unterkönig.
Durch die Wahl der königlichen Beamten aus dem Kreise des Grundbesitzadels
entglitt dem König langsam die Macht. Der Einfluss der
Hausmeier
wurde dagegen gestärkt. Nach dem Tod von Dagobert herrschten die Hausmeier allein im Reich.
Diese Macht war die Bedingung für den Aufstieg der Karolinger.
Mit Dagoberts Tod war die Macht der Merowinger zu Ende.
Der austrische Hausmeier Pippin der Mittlere errang nach einem Sieg über
Neustrien die nun erbliche Würde des Hausmeiers für das ganze Land.
Dessen Sohn, Karl Martell, einigte das Reich wieder. In dieser Zeit blieb
das Reich ohne einen König, da nur ein Mann mit königlicher Abstammung König
werden konnte. Karl Martell teilte das Reich vor seinem Tod unter seinen
beiden Söhnen auf. Karlmann bekam den Osten, während Pippin der Jüngere
den Westen erhielt. Nach der Abdankung von Karlmann war Pippin nun Alleinherrscher.
Pippin hatte Lehren aus der Vergangenheit gezogen und nahm mit Unterstützung des
Papstes 751 selbst den Königstitel an. Dieses enge Verhältnis zum Papst nutzte
Pippins Sohn Karl (der Große), um seine Macht auszubauen. Damit begann die Ära der
Karolinger. (751 – 918) Die Karolinger gestalteten in Europa ein Reich,
das dem Römischen Reich sehr ähnlich war.
Nachdem der Langobardenkönig Aistulf die römisch-byzantinische Provinz Ravenna erobert hatte,
sah sich der Papst dem unmittelbaren Zugriff durch die Langobarden ausgesetzt.
Durch eine Allianz mit dem Frankenreich konnte sich der Papst schützen.
Pippin der Jüngere konnte in zwei erfolgreichen Feldzügen (754 bis 756) die Langobarden zurückdrängen.
Dafür wurde Pippin vom Papst ein zweites Mal zum König gesalbt.
754 wurde er zum Patricius Romanorum ernannt.
Der bedeutendste Machthaber der Karolinger war Karl der Große.
Er regierte von 768 bis 814 das Frankenreich. Zunächst gemeinsam mit seinem
Bruder Karlmann (nicht zu verwechseln mit Karlmann, dem Sohn von Karl Martell)
aber nach dessen Tod 771 allein. Karl der Große bemühte sich, wie seine Vorgänger auch,
die germanischen Stämme Europas unter einer Zentralgewalt zusammenzufassen.
Karl der Große schreckte auch vor Gewalt nicht zurück, seine Macht und sein Reich zu vergrößern.
Als Erstes versuchte er ab 772 die Sachsen zu unterwerfen. Ein Teil der Sachsen gab auf,
andere leisteten unter der Führung Widukinds Widerstand. Karl der Große änderte daraufhin
seine Strategie und begann mit der Zwangschristianisierung der Sachsen.
Die Taufe bedeutete dabei gleichzeitig die Anerkennung der fränkischen Herrschaft.
785 unterwarf sich auch Widukind den Franken. Die Sachsenkriege endeten aber erst 804.
Auf ein erneutes Hilfegesuch des Papstes eroberte Karl der Große 773/774 endgültig das
Langobardenreich. Karl nannte sich jetzt auch „König der Langobarden“.
Weihnachten 800 wurde er in Rom zum Kaiser gekrönt.
Damit gab es nun zwei Kaiser (den byzantinischen und den römischen),
die sich auf römische Traditionen beriefen.
Um seine Macht auch im Reichsinneren zu stärken beseitigte Karl 788 durch
Absetzung des bayerischen Herzogs Tassilo III. das letzte unabhängige germanische
Stammesherzogtum. Das Kalifat Córdoba war Karl dagegen ein Dorn im Auge.
Die Auseinandersetzungen mit den Mauren waren wenig von Erfolg gekrönt.
795 konnte wenigstens die Spanische Mark um Barcelona als Grenzsicherung eingerichtet werden.
Durch die Christianisierung des Reichs und seiner Randgebiete gab es einen
großen kulturellen Aufschwung. Karl der Große griff bewusst auf antikes
Gedankengut zurück und holte Gelehrte aus vielen Ländern an seinen Hof.
Die kulturelle Entwicklung Europas beruht zum größten Teil auf der karolingischen Bildungsreform.
Nach fränkischem Brauch wurde das Reich nach Karls Tod 814 unter seinen Söhnen aufgeteilt.
Dadurch ging die Reichseinigkeit wieder verloren. Die Frage, welcher der
Söhne die Kaiserkrone tragen solle, wurde zum Konflikt.
Nach mehreren Reichsteilungen (Verdun 843, Meersen 970 und Ribémont 880)
entstanden das Westfränkische und das Ostfränkische Reich als eigenständige Staaten,
also Frankreich und Deutschland. Ostfranken zerfiel weiter in mehrere Stammesherzogtümer.
911 starb der letzte Karolinger in Ostfranken. Damit brach auch die dynastische
Bindung zwischen west- und ostfränkischem Reich endgültig ab.
Frühmittelalterliches Leben
Kultur und Bildung
Im Jahre 786 taucht in einem Schriftstück erstmals der Begriff „deutsch“
in seiner mittelalterlichen Form (theodiscus) auf. Mit „theodisca lingua“ wird
die altfränkische Sprache vom Lateinischen und anderen germanischen Sprachen abgegrenzt.
Das Wort „theudisk“ bedeutet „dem eigenen Stamm zugehörig“.
Es entstand im Osten des Frankenreiches, um sich besser von den Westfranken abzugrenzen.
Das damalige Frankenreich bestand aus vielen germanischen Stämmen und fast jeder
Stamm hatte eine eigene Sprache und eine eigene Schrift.
Um das Reich im Innern zu stärken entwickelten sowohl die Merowinger als auch die
Karolinger neue Schriftarten, die leicht erlernbar waren.
Das waren zunächst die merowingischen
Minuskeln
aus denen sich dann die
karolingischen Minuskeln entwickelten. Die karolingischen Minuskeln sind sehr
einfach und bildeten die Grundlage für unsere heutigen Kleinbuchstaben.
Im November 722 wurde Bonifatius in Rom zum Missionsbischof ohne festen Sitz ernannt.
Er reiste mit einem Schutzbrief von Karl Martell durch das Frankenreich und trieb die
Christianisierung der Germanen voran. Nach dem Tod von Karl Martell wurde Bonifatius
von den Söhnen Martells, Karlmann und Pippin III., weiterhin unterstützt.
Karl der Große leitete eine Erneuerung des kulturellen Lebens ein,
die „Karolingische Renaissance“ genannt wird. Diese Erneuerung orientierte
sich an der Spätantike und umfasste alle kulturellen Bereiche. Er holte Künstler,
Wissenschaftler und Gelehrte an seinen Hof. Karl ließ antike Texte in die neue Schrift
(karolingische Minuskeln) kopieren, Heldenlieder aufschreiben und forderte
Klöster und Kirchen auf, sich stärker der Pflege und Bewahrung von Literatur zu widmen.
Karl sammelte die Texte und Schriften in einer Hofbibliothek.
Bauen und Wohnen
In der Regierungszeit von Karl dem Großen entstanden zahlreiche neue Gebäude,
die sich an antiken Vorbildern orientierten. So wurden beispielsweise Säulen
und Kapitelle als Schmuckelemente verwendet.
Im Frühmittelalter lebte der größte Teil der Bevölkerung, ca. 90%,
auf dem Land, selbst Adlige. Große Städte, wie wir sie heute kennen, gab es damals noch nicht.
Die Häuser der Land- und auch der Stadtbevölkerung waren zumeist aus Holz.
Kirchen und andere Steinbauten wurden aus behauenen Feldsteinen errichtet.
Im Frühmittelalter wurde die bis dahin verwendete Pfostenbauweise
langsam durch die Fachwerkbauweise ersetzt.
Dorfformen im Frühmittelalter waren z. B. Haufendorf, Reihendorf und Rundlinge.
Größere Dörfer hatten schon 20 – 30 Gehöfte, die ungefähr 100 m weit auseinander lagen.
Einzelgehöfte lagen meist kilometerweit auseinander, inmitten des dazugehörigen Grundbesitzes.
Innerhalb eines Gehöfts gab es eine eigene Wasserversorgung
(Brunnen oder Wasserlauf) sowie Obst und Gemüsegärten.
Kleidung
Die Kleidung im Frühmittelalter wurde aus Fellen, Leinen oder Wollstoff
hauptsächlich in den Farben Blau, Rot, Lila und Erdfarben angefertigt.
Die Kleidung von Adligen bestand auch teilweise aus wertvolleren Stoffen wie Seide oder Brokat.
Die häufigsten Herrenkleidungsstücke waren knielange Hosen, ein knielanger Rock,
der heutigen Herrenhemden ähnelte und enge Ärmel hatte.
Die Unterschenkel wurden mit Wadenbinden umwickelt. Ein Mantel,
der auf der rechten Schulter mit einer Fibel gehalten wurde komplettierte die Kleidung.
An den Füßen wurden Bundschuhe getragen. Für die adligen Frauen war der
byzantinische Hof tonangebend in der Mode. So kleideten sich die adligen
Frauen wie Römerinnen des 5. Jh.
Die Kleidung von Dienern und Bauern hingegen war einfach und farblos.
Karl der Große hat im Jahr 768 ein Gesetz erlassen, das Bauern verbot,
vornehme Kleidung zu tragen. Als Farben waren nur Schwarz und Grau zulässig.
Ernährung
Brot bildete im Mittelalter das Hauptnahrungsmittel: pro Person bis zu 1 kg pro Tag.
Brot wurde aus den unterschiedlichsten Getreidesorten hergestellt.
Im Frühmittelalter wurde hauptsächlich Weizenbrot gegessen.
In kargen Zeiten wurde das Mehl zum Brotbacken mit allerlei „Zutaten“ gestreckt.
Dabei kamen gemahlene Hülsenfrüchte, Buchweizen und sogar getrocknete Pilze uva. zum Einsatz.
Da sich Genuss und Frömmigkeit nicht vereinbaren ließen,
galt für Mönche eine sonderbare Regel: Brot durfte nicht warm gegessen werden,
es musste mindestens einen Tag alt sein.
Gemüse wurde hingegen nur wenig gegessen. Viele Gemüsesorten, die wir heute kennen,
stammen aus der neuen Welt und waren damals unbekannt.
Obst
war ebenso fast gänzlich unbekannt. Hier wurden vorwiegend Wildsorten gegessen.
Außerdem wurde der Verzehr von rohem Obst oder Gemüse damals für ungesund gehalten.
Dafür wurde reichlich Fleisch gegessen. Die einfache Bevölkerung aß das Fleisch gekocht,
gebratenes Fleisch galt als „Herrenessen“. Als Fleischlieferanten dienten hauptsächlich
Rind und Schwein. Von Schafen und Ziegen wurden die Wolle und die Milch verwendet.
Bei Adligen kamen auch Wild und allerlei Vögel, neben Gänsen und Enten z. B. auch Wachteln,
Fasane, Reiher, Stare, Krähen u. a. auf den Tisch.
Geſundheit
Im Frühmittelalter, im 6. Jh., wütete die Pest in Europa. Sie kam aus Ägypten und verbreitete sich sehr schnell über ganz Europa. Etwa die Hälfte der Bevölkerung fiel ihr zum Opfer. Die Pest wurde als Strafe Gottes angesehen. Es machten sich allgemeine Verzweiflung und eine Untergangsstimmung breit. Nach etwa einem Jahr war die Seuche besiegt. Allerdings kam es in regelmäßigen Abständen, alle 12 Jahre, zu erneuten Pestausbrüchen.
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